GENTZ

Märkische Heimat

Beilage zur Märkischen Zeitung

Nr. 8 August 1937

Die Familie Gentz

Die Familie Gentz unter den alten Neuruppiner Bürgerfamilien eine Stellung ein, die anders ist, als die hier schon besprochenen Geschlechter. Keine lange Ahnenreihe ist nachweisbar, die bis in das Mittelalter zurück— reicht, keine Neuruppiner Ratsherren oder Gildemeister früherer Jahrhunderte können wir in der Gentzschen Familie nachweisen. Vielmehr beschränkt sich die Bedeutung der Gentzens auf 40 bis 50 Jahre der vorigen Jahrhunderts. Und doch waren sie in diesem Zeitraum derart ausschlaggebend für Stadt und Kreis Ruppin, dass man diese Jahrzehnte oft die “Genzsche Epochen bezeichnet hat.

Die Familie ist bäuerlichen Ursprungs. Darauf deutet der Name dessen Zusammenhang mit dem Worte ”Gans’t wohl ohne weiteres ersichtlich ist, hin. Wahrscheinlich haben wir in den in Glambeck Schðnermark, Gross Mutz und anderen Dörfern der Lindower und Granseer Gegend unseres Kreises seit Jahr— hunderten ansässigen Genzens die Altvordern unserer Ruppiner Familie zu erblicken. Ein unmittelbarer Zusammenhang hat sich allerdings bisher noch nicht als sicher nachweisen lassen. Der erste ”Genz”, der in einer Stadt wohnte, war ein Johann Genz, der in Zehdenick als Brauer und HauseigentÜmer ansässig war und am 3. Sonntag nach Trinitatis des Jahres 1748 in der Kirche zu Zehdenick mit Elisabeth Blankenburg, der Tochter eines Granseer Schumachermeisters, getraut wurde. Johann Jakob Gentz war später Kaufmann in Gransee. Zur Zeit der Todes der Königin Luise, im Jahre 1810, war er dort Stadtverordnetenvorsteher. Als solcher steht er auf dem Luisendenkmal verzeichnet.

Von den am 4. Dezember 1765 geborenen Zwillingen ging der eine, Johann Christian, als Tuchhändler nach Berlin. Der andere, Johann George, erlernte die Tuchmacherei und begab sich schließlich nach Neuruppin, wo damals das Gewerbe in Blüte stand. Über hundert Tuchmacher umfasste die Zunft. Um die Meisterwürde erlangen zu können heiratete er nach damaliger Sitte die Tochter eines verstorbenen Tuchmachermeisters Schrðder, namens Regina. Bei der Heirat Übernahm er Geschäft und Haus seines Schwiegervaters, Poststraße 10 für 250 Taler. Er war ein fleißiger und umsichtiger Mann, der es verstand, sich hoch zu arbeiten. Bald machte sich das Bedürfnis nach einer Vergrößerung des Betriebes geltend. Im Jahre 1800 verkaufte er das Haus Poststraße 10 und erwarb fur 800 Taler das Haus Präsidentenstraße 61, das eine erheblicher Erweiterung seiner gewerblichen Anlagen ermöglichte. Sein Betrieb muss zu den größeren der damaligen Zeit gehört haben, und er selbst muss sich einer gewissen Beliebtheit bei seinen Mitbürgern erfreut haben, denn als im Jahre 1808 die erste Stadtverordnetenversammlung in Neuruppin gebildet wurde, wählte man ihn nicht nur zum Stadtverordneten, sondern man berief ihn auch in den Vorstand. Im Jahre 1812 gehörte er auch zu den Mitgründern der Loge. Sein Wohlstand hatte sich inzwischen so gehoben, dass er im Jahre 1814 das Haus Friedrichstrasse 26 (jetzt E. Buchbinder) für mehrere tausend Taler erwerben konnte, wovon er 2500 Taler durch die Anweisung der Preussischen Militärkriegskasse bezahlte. Demnach muss er größere Militärlieferungen ausgeführt haben. Vier Jahre später übergab er sein Geschaft mit dem Haus Präsidentenstraße 61 seinem ältesten Sohn Johann George. Die Notjahre brachten ihn in seinen Verögensverhä1tnissen zurück. Er verkaufte schließlich sein Haus Friedrichstraße 26 wieder und zog nach dem Tode seiner Frau zu seinem Sohn Christian, dann zu Louis.

Der älteste Sohn, Johann Georg, blieb nur 8 Jahre in Neuruppin. Er verkaufte sodann Haus und Geschäft und zog nach Berlin, später nach Kyritz. In beiden Orten betrieb er kaufmännische Geschäfte. Der zweite Sohn, Johann Christian, sollte für Neuruppin die größte Bedeutung erlangen. Ursprünglich erlernte er die Tuchmacherei und war als Geselle auf die Wanderschaft gegangen. In die Heimat zurückgekehrt verheiratete er sich mit der um 10 Jahre älteren Juliane Voigt und Übernahm von den Schwiegereltern ein kleines Kurzwarengeschaft im heutigen Drescherschen Hause, Friedrich-Wilhelm-Straße 82. Der bisherige Tuchmacher wurde ein gewandter und umsichtiger Kaufmann, der bald seine Unternehmungen erheblich ausdehnte. Aus Kurzwarenladen wurde ein größeres Manufakturwarengeschäft. Daneben entstand etliche Jahre später eine Eisenwaren— und Lederhandlung und zuletzt noch ein Bankgeschäft. Zwanzig Jahre nach seiner Etablierung galt Johann Christian Gentz für einen sehr wohlhabenden Mann. Im Jahre 1840 bot der damalige Besitzer des Guts Wustrau, der Landrat von Zieten, die Wiesen des Wustrauer Luchs zum Austorfen aus. Christian Gentz gründete zusammen mit dem Maurermeister Sohnel, Kalkbrennereibesitzer Baumann und dem Wustrauer Sekretar C.A. Frost eine Torfgewinnungsgesellschaft und erwarb für diese das Austorfungsrecht. Im Luch lag ein Schatz. Die Torfgewinnung erzielte glänzende Einnahmen, sodass Christian Gentz zu einem der vermögensten Kaufleute des Kreises Ruppin wurde. Er raffte aber nicht nur Schätze sondern machte sein Vermögen oft allgemeinen Interessen dienstbar. So kanalisierte er, um einen kürzeren Wasserweg nach Berlin zu schaffen, den damaligen schwarzen Graben. Für eine Zeit, wo es im Ruppiner Land noch keine Eisenbahn gab, mit Ausnahme der Berlin—Hamburger Strecke, war dieses wirtschaftlich von größter Bedeutung. Der Wasserweg war damals derjenige, der für Frachtgüter am meisten genutzt wurde. Auch die Regierung erkannte die Bedeutung dieses Unternehmens an, denn sie gestattete Gentz, für die Benutzung des Kanals durch andere Abgaben zu nehmen. Kulturtaten auf anderen Gebieten folgten. Im Jahre 1854 erwarb Gentz das Gelände des heutigen Tempelgartens. Damals bot der Garten aber ein anderes Bild. Kein wohlgepflegter Park mit schönen Gehölzanlagen war vorhanden, wie wir ihn heute sehen, sondern ein Küchengarten; der nach dem Wall zu einen stark vernachlässigten Holzbestand nachwies. An Gebäuden war, abgesehen vom Tempel und seinen Nebenbauten nicht viel vorhanden. Das Gelände war damals an eine Kasinogesellschaft verpachtet. Es wurde ähnlich wie öffentliche Vergnügungsstätten benutzt. Christian Gentz ließ beseitigen, was störte, und schuf aus dem Gelände den wertvollen Park, an dem sich heute alt und jung erfreuen. Der Tempel wurde wiederhergestellt und bekam von der Hand seines älteren Sohns Wilhelm Gentz, des bekannten Malers, ein schönes Deckengemälde das den Siegeszug der Aphrodite darstellt. Eine hübsche Mauer und ein schönes Gartenhaus, in dem Christian Gentz seine letzten Lebensjahre zubrachte, wurden erbaut. Der Tempelgarten blieb allerdings Privatbesitz, war aber oft dem großen Publikum geöffnet. Bald folgten dann weitere Unternehmungen.

Vor dem Rheinsberger Tor, an der Landstraße nach Steinberge, befand sich ein großes ödes Gelände, das im Volksmund als “die kahlen Berge” zum Teil auch als “der kranke Heinrich” bezeichnet wurde. Das Gelände war eine große Sanddüne von mehreren tausend Morgen. In früheren Zeiten hatte der Sturm oft große Sandmengen auf die umliegenden Äcker getrieben und hierdurch Schaden angerichtet. Später hatte sich ein dürftiger Pflanzenwuchs gebildet. Außer Ginster und Heidekraut gedieh aber nicht viel in dieser Sandwüste. In muhev011er Arbeit, über hundert Einzelkaufvertrage mussten geschlossen werden, brachte Christian Gentz das Land an sich und schuf es zu einem Waldgut um. In der Nähe des Forsthauses Bürgerwendemark wurde ein Gutshof angelegt. Schone dauerhaft gebaute Speicher entstanden.

Dazu wurde eine Reihe von Tagelöhnerhäuser erbaut, die wohnlich eingerichtet waren Jedes Haus hatte seinen Garten. Das ganze Areal des Gutes wurde, soweit es nicht zum Ackerbau benutzt wurde, planmäßig aufgeforstet. Um einen guten Baumbestand zu erzielen wurden zum Teil ausländische Geholzarten, die für rauhe Lagen geeignet waren, zum Anpflanzen benutzt. Sibirische oder Kanadische Geholzarten spielten dabei eine große Rolle. Nicht glückte alles, was geplant war sofort. Auch Misserfolge kamen bei diesem oder jenem vor. Christian Gentz ließ sich aber weder durch sie, noch durch Stichelreden und höhnische Bemerkungen seiner Mitbürger beeinflussen, sondern schritt rüstig seinen begonnenen Weg weiter. Als er die Augen schloss, war aus der öden Heidefläche ein Waldgut geworden, das für die Zukunft gute Erträge erwarten ließ. Als das erste Menschenkind auf dem neu der Kultur erschlossenen Stück Erde geboren wurde, bestimmte Gentz: Er soll Adam heißen. Ein stolzes Wort! Und doch war der Stolz nicht unberechtigt, denn etwas ganz Neues war mit dem Gut entstanden.

Von seinen beiden Söhnen ist der Ältere, Wilhelm Gentz, ein berühmter Orientmaler geworden. Er besaß ein glänzendes koloristisches Talent. So kam es, dass vor allem die Farbenpracht des Südens ihn fesselte. Seine Bilder stellten fast sämtlich Szenen aus dem Morgenlande dar. Besonders bekannt geworden sind: eine Schöpfradmuhle an den Ufern des Nil, Sklaventransport durch die Wüste, Widder und Spinks in der Theabide, Rast einer Karawane in der Wüste, Pelikane, zwei Araber—Scheichs im Gebet vor ihren Zelten, Beduinenlager, Promenade eines Harems Markt in Kairo, Lagerleben der Beduinen bei Suez. Ein Märchenerzähler bei Kairo, Abend am Nil, Totenfest bei Kairo, Schlangenbeschwörer in Oberägypten, Begegnung zweier Karawanen, aber auch viele andere, deren Aufzählung hier zu weit führen wurde. Im Jahre 1876 entstand das Bild “Des deutschen Kronprinzen Einzug in Jerusalem”, das dem Maler die goldene Medaille einbrachte. Der Sohn von Wilhelm Gentz, Ismael Gentz, genoss namentlich als Portraitmaler hohes Ansehen. Uns Ruppinern ist namentlich bekannt sein Bild von der Einweihung der Klosterkirche mit den beiden neuen Türmen im Jahr 1908.

Der zweite Sohn von Christian Gentz, Alexander, war ebenfalls ein begabter Zeichner und Maler. So manches wundervolle Bild von ihm ist noch erhalten.

Trotzdem hatte ihn der Vater für den Kaufmannsberuf bestimmt da ja einer der Söhne die großartigen kaufmännischen Unternehmungen weiterführen sollte. Alexander übernahm im Jahre 1857 das Geschäft und suchte mit rastlosem Eifer und zäher Tatkraft dieser Aufgabe gerecht zu werden. Nahezu 20 Jahre folgten, in denen die Unternehmen sich erweiterten und gediehen. Zahlreiche Torfwiesen wurden erworben. Zuletzt besaß Alexander Gentz Torfländereien von etwa einer viertel Quadratmeile. Im Tempelgarten gediehen die neuen Anlagen. Auch Gentzrode entwickelte sich günstig. Außerdem war Alexander Gentz auch ehrenamtlich tätig. Lange Jahre war er unbesoldeter Senator der Stadt Neuruppin. In der Mitte der siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts kam leider ein starker geschäftlicher Rückschlag. Der Torf kam als Feuerungsmaterial aus der Mode, an seine Stelle trat die Stein— kohle. Eisenbahnen und große Industriegebiete, die jährlich für viele 10 000 Mark Torf abnahmen, fielen als Kunden jetzt weg. Dazu kam zweimal ein außerordentlich nasser Sommer der auf die Torferträge geradezu verheerend einwirkte. So kam es, dass die Haupteinnahmen der Gentzschen Geschäfte schwanden. Andererseits kostete Gentzrode, wo Alexander Gentz zuletzt noch ein stattliches Herrenhaus bauen ließ, große Summen. Er geriet schließlich in Schulden. Im Jahre 1880 kam es zum Konkurs. Der Grundbesitz von Alexander Gentz wurde verschleudert. Die Torfstiche gingen auf die Deutsche Bank über. Diese stellte das ganze Unternehmen wegen Unrentabilitat nach einigen Jahren ein. Gentzrode, das in der Zwangsversteigerung nur den unerhört niedrigen Preis von 210 000 Mark gebracht hatte, geriet in die Hände von Spekulanten. Diese verdienten jedesmal ein kleines Vermögen an dem Gut. Schon sechs Jahre später betrug der Kaufpreis für Gentzrode 500 000 Mark. Dem Gut selbst waren derartige Besitzer nicht förderlich. Der Tempelgarten dank den Bemühungen des damaligen Landrats von Quast fiel in die Hand des Kreises Ruppin und ist noch heute Freude für viele, die sich darin in ihren Mussestunden ergehen konnen. Alexander selbst zog nach Stralsund. Er Übernahm eine Fischräucherei und Konservenfabrik, die er, später sein Sohn mehrere jahrzehnte hindurch betrieb. Aber auch dies Unternehmen erhielt sich nicht dauernd im Besitz der Gentzschen Familie. Es wurde im Jahre 1931 von dem Kaufmann Willy Rbnicke erworben, der es nach Neuruppin verlegte und es hier noch heute betreibt.

Alexander Gentz ruht ebenso wie sein Vater auf dem alten Friedhof in Neuruppin. Auf seinem Grabmal befindet sich folgende, von unserem Heimatdichter Theodor Fontane verfasste Inschrift: “Ungunst und Wechsel der Zeit zerstörte, was wir geschaffen. Die wir im Leben gekämpft, ruhen im Tode hier aus.“

Der jüngste Sohn des Tuchmachers Johann George Gentz, Karl Ludwig lernte in Berlin das Materialwarengeschäft als Kaufmann. Im Jahre 1830 erwarb er in Neuruppin das jetzige Haus Friedrich—Wilhelmstrasse 98 (Rheinsberger Hof) und eröffnete hier ein Materialwarengeschäft. Er war ein umsichtiger Kaufmann, dazu fleißig und sparsam. Infolgedessen gelang es ihm, sein Geschäft in die Höhe zu bringen. Im Jahre 1847 kam das Nachbargrundstück Nr. 97 (jetzt EDEKA), in dem sich damals ein Hotel befand, zur gerichtlichen Zwangsversteigerung. Gentz, der an den Hotelbesitzer ziemliche Forderungen für gelieferte Waren hatte, erwarb das Grundstück, um diese Forderungen zu retten. Trotz des Sturmjahres 1848 betrieb er das Hotel weiter, ja, erbaute sogar in dieser Zeit in dem Saal des Hotels das erste Neuruppiner Theater. Zwei Jahre später gelang es ihm, einen Käufer für das Hotel zu finden. Froh, dieser Last ledig geworden zu sein, beschränkte er sich fortan auf sein ursprÜng1iches Geschäft und baute es immer weiter aus. Zu Ehrenämtern wurde er mehrmals herangezogen. Lange Jahre war er Stadtverordneter und Mitglied verschiedener Deputationen. Von seinen Söhnen war der älteste als Inhaber eines Kaffee—Großgeschäftes in Hamburg bekannt. Beide Söhne verstarben ohne männliche Nachkommen. Von seinen Töchtern wurden drei die Stamm—Mutter von drei bekannten Neuruppiner Kaufmannsfamilien(X)

Die Firma C. L. Gentz ging im Jahre 1866 auf den Schwiegersohn Grauert über.

1903 erlosch jedoch die Firma. Die Familie Gentz ist in zwei von ihren drei Hauptstämmen erloschen. Ihr Glanz ist dahin. In früheren Jahren hat sie viel geleistet, ihr Andenken bleibe in Ehren.

(Ludwig Schulz, Landgerichtsrat in Neuruppin)

(X)Luise Gentzheiratete Adolf Drescher. Dieser wurde 1857 Teilhaber der Firma J. C. Gentz und erwarb es 1877  
 Anna Gentzheiratete Carl Tourneau, lernte bei J. C. Gentz, wurde Abteilungsleiter für Eisenwaren und etablierte sich in der Friedrich-Wilhelm-Straße 54  
 Ida Gentzheiratete Rudolf Grauert (s.o.) Aus dieser Ehe Tochter Agnes Grauert heiratete Georg Insel

Rudolf Grauert war lange Jahre im Geschäft seines Schwiegervaters C. L. Gentz als erster Gehilfe tätig. Er Übernahm das Geschäft 1866 mit Firma. Im April 1874 kaufte er auch das Haus Friedrich-Wilhelm-Straße 98 und 1879 auch das Haus 97.